Der junge Hund war in einem
unbeobachteten Moment auf einen fremden
Kothaufen losgelaufen, hatte ihn
interessiert beschnuppert und dann
kurzerhand verschlungen. Andere Hunde sind
wie wild auf Pferdeäpfel, manche bevorzugen
Katzenkot. Wie kann es zu diesen
schrecklichen Verirrungen kommen, hat der
Hund eine körperliche oder psychische Macke?
Was kann man dagegen unternehmen?
Der
Tierarzt wird die aufgeregten Hundehalter
zunächst einmal beruhigen. Das ist alles
nicht so schlimm und eigentlich völlig
natürlich. Hunde haben kein Ekelgefühl und
was ihnen interessant riecht oder schmeckt,
das wird auch gelegentlich verzehrt. Dabei
ähneln sie Kleinkindern, die ja voll
harmloser Freude mit ihrem eigenen Kot
spielen können, bis ihnen beigebracht wird, daß das „Pfui“ ist. Für das Kotfressen gibt
es den Fachausdruck „Koprophagie“ und der
klingt nicht so scheußlich. Oft werden
Vermutungen, dass es sich um einen
Mangelzustand handelt, ausgesprochen. Der
Hund erhält ein Vitamin-Mineralstoffpräparat
und irgendwann scheint es auch anzuschlagen,
er hört mit dieser unappetitlichen
Angewohnheit auf. Das liegt aber wohl eher
daran, dass er im Zuge des Erwachsenwerdens
mit seinem Neugier-Verhalten aufhört. Es
gibt auch spezielle Dressurprogramme, mit
denen man dem Hund beibringt, nur Futter aus
der Hand seiner Halter anzunehmen. Das ist
nützlich, schützt gleichzeitig gegen
Vergiftungen, ist aber nicht unbedingt
erforderlich.
Durch das Kotfressen kann er
sich zwar Parasiten oder Krankheitserreger
einhandeln, das kommt aber selten vor. Man
könnte die Koprophagie also als eine
hündische Übergangserscheinung tolerieren.
Ist die Koprophagie den Menschen völlig
fremd? Ein sonderbares Jägerrezept spricht
vom „Schnepfendreck“, also Darminhalt der
Schnepfen, der gewürzt aufs Brot gestrichen
und verzehrt wird – sicherlich nicht
jedermanns Sache.
Ein Sprung nach Australien
ist lehrreich. Dort leben seine Ureinwohner,
die Aborigines, in fast völligem Einklang
mit der Natur. In ihren Familiensippen
findet man auch Hunde. Es handelt sich um
die bekannten verwilderten Haushunde, Dingos,
die sich ganz gut zähmen lassen, wenn man
sie jung aufnimmt, damit sie sich an die
Menschen gewöhnen können. Diese zahmen
Dingos werden von den Eingeborenen sehr gut
behandelt. Niemand würde sie bestrafen, gar
schlagen oder hart anfassen. Allerdings –
man denkt auch nicht daran, sie etwa zu
füttern. Deshalb ernähren sie sich von den
sehr spärlichen Essensabfällen der
Aborigines, vor allem aber von deren Kot!
Sie erfüllen damit die sehr nützliche
Aufgabe einer natürlichen Abfallbeseitigung,
die Umwelt wird nicht belastet.
Ehrlich
gesagt, das bekommt ihnen nicht sonderlich
gut. Die Tiere sehen mager aus und werden
nicht sehr alt. Aber – sie leben ganz
zufrieden in ihrem Menschenrudel und denken
nicht daran, in die Freiheit zu entweichen,
was jederzeit möglich wäre. Man muss sich
also an den für uns sehr ungewöhnlichen
Gedanken gewöhnen, dass der Kot
verschiedener Geschöpfe anderen als
Lebensgrundlage dient. Dabei hat es einer
sogar zur Heiligkeit, gebracht. Es handelt
sich um einen Käfer, den heiligen
Pillendreher, der Ballen aus
Pflanzenesserkot dreht und darin seine Eier
unterbringt. Als Skarabäus - garantiert echt
aus Pharaonengräbern!? – wird er in Stein
geschnitzt oder aus Ton gebrannt, in Ägypten
den Touristen verkauft.
Hundehalter, deren
Zöglinge sich an Kot vergreifen, sollten es
also gelassen sehen. Es ist eine –
zugegebenermaßen äußerst unappetitliche –
Angewohnheit, die sich nach einiger Zeit von
allein geben wird.
Wenn Sie darauf
angesprochen werden, können Sie Ihren
Gesprächspartner in eine Diskussion über den
Wert und Unwert des Kotes in der Welt
verwickeln und dabei den Bogen von den Aborigenes bis zu Skarabäen spannen, was Ihr
Ansehen heben und den Hund entlasten wird.
Quelle / Dr. Spangenberg