Vestibuläres
Syndrom, Geriatrisches Vestibulärsyndrom,
Geriatrisches Vestibularsyndrom, Idiopathisches
Vestibulärsyndrom, Idiopathisches
Vestibularsyndrom
Alle diese
Bezeichnungen stehen für eine Störung des
Gleichgewichtsorgans (auch Vestibularapparat),
welches sich im Innenohr befindet. Die Folge
sind Störungen der Bewegung und der Orientierung
im Raum bzw. Störungen der
Bewegungskoordination. Geriatrisch bezeichnet
die Altersgruppe näher, bei der dieses
Krankheitsbild häufiger auftritt, nämlich ältere
Tiere, allerdings können auch jüngere betroffen
sein. Idiopathisch steht in der Medizin für eine
unbekannte Ursache, es gibt keinen
offensichtlichen Grund für diese Krankheit,
lediglich Theorien über die Entstehung.
Das für Tierhalter erschreckende an dieser
Erkrankung ist, dass sie ohne jede Vorwarnung
auftritt, das sich eben noch vollkommen normal
verhaltende Tier kann unter Umständen umfallen
und sich nicht mehr aus eigener Kraft erheben.
Dazu kommt eine Kopfschiefhaltung (die kranke
Seite zeigt nach unten), evt. eine Schiefhaltung
des Ohres (wenn möglich auf Grund der Form). Oft
haben die Tiere Mühe, geradeaus zu laufen, sie
wirken wie Betrunkene, erscheinen desorientiert.
Einige laufen im Kreis oder können, wenn sie
schwer betroffen sind, eben nicht mehr
aufstehen. Sehr viele Tiere zeigen gerade
anfänglich und in den ersten Tagen ein Zucken
der Augäpfel von einer Seite zur anderen (oder
wie kreisend), das medizinisch Nystagmus genannt
wird, möglich ist auch Schielen (Strabismus).
Tiere, die schwerer betroffen sind, fühlen sich
ähnlich Menschen, die Karussell fahren schlecht
vertragen, ihnen ist übel, teilweise erbrechen
sie auch. In den meisten Fällen aber fühlen sich
die Tiere relativ wohl und können fressen und
Wasser trinken, benötigen hier aber mitunter
Hilfe, da durch den Schwindel der Weg zu den
Näpfen und deren genaue Lokalisation schwierig
ist. Oft ist es dann hilfreich, aus der Hand zu
füttern.
Da diese Auswirkungen einer vestibulären Störung
beim Tier den Symptomen eines menschlichen
Schlaganfalles sehr ähnlich sind, verwenden
manche Tierärzte den Begriff „Schlaganfall“ in
der Erklärung für die Besitzer, da dies deren
Verständnis oft erleichtert. Das
Vestibular-Syndrom als Störung des
Gleichgewichtsorgans ist jedoch medizinisch
nicht gleich zu setzen mit dem Schlaganfall
(Apoplexie) als Folge einer Durchblutungsstörung
im Gehirn mit anschließendem Absterben von
Hirnzellen.
Die beschriebenen Symptome werden alle ausgelöst
durch eine Störung im Gleichgewichtsorgan,
dessen kompliziert aufgebautes System aus drei
halbkreisförmigen Bogengängen und zwei
miteinander verbundenen Säckchen besteht. Dieser
Vestibularapparat liegt gleich am Ohr und
übermittelt dem Gehirn die Position des Körpers
im Raum, anhand dieser Informationen werden die
Bewegungen des Körpers abgestimmt. Ist diese
Orientierung im dreidimensionalen Raum gestört,
kann das Gehirn die Bewegungen des Körpers nicht
mehr entsprechend dessen Lage koordinieren, der
Körper gerät aus dem Gleichgewicht.
Diese Erkrankung kann bei allen Tierarten wie
beispielsweise Meerschweinchen, Kaninchen,
Katzen (hier gibt es interessanterweise eine
Häufung der Fälle bei Katzen im mittleren
Lebensalter und in den Spätsommer- bzw.
Herbstmonaten) und Hunden auftreten. Da die
Ursache nicht genau bekannt ist, gibt es keine
spezielle Therapie, dennoch ist der Gang zum
Tierarzt sinnvoll. Denn die Symptome können auch
auf andere schwerwiegende und oft behandelbare
Erkrankungen hinweisen, diese gilt es auf jeden
Fall auszuschließen. Zu diesen so genannten
Differentialdiagnosen gehören Ohrenentzündungen
wie die Otitis media oder interna, Fremdkörper,
Tumore, Infektionskrankheiten, Staupe,
Toxoplasmose bei Hund und Katze, FIP bei Katzen
oder Meningoenzephalitis, auch einige
Medikamente können toxisch auf das Hör- und
Gleichgewichtsorgan wirken. Darüber hinaus kann
der Tierarzt auch die Auswirkungen des
Vestibular-Syndroms, sofern sich der Verdacht
bestätigt hat, lindern. Bei sehr schwer
betroffenen Tieren kann eine Infusionstherapie
mit durchblutungsfördernden Mitteln, die die
Kreislauf- und Gehirndurchblutungssituation
verbessern, durchgeführt werden, hierfür muss
das Tier meist stationär aufgenommen werden. Bei
den weniger gravierenden Fällen kann mit
Medikamenten Erbrechen und Übelkeit gestoppt,
evt. mit durchblutungsfördernden Mitteln und
Vitaminen die gesamte körperliche Situation
etwas verbessert werden, das Tier kann sich in
häuslicher Pflege erholen.
Für die Erholung braucht es ein wenig Geduld von
Seiten der Halter, oft sind es zunächst kleine
Fortschritte, beispielsweise hören die
Augenbewegungen meist schon nach einigen Tagen
wieder auf. Innerhalb von 48 Stunden sollte
insgesamt eine Besserung feststellbar sein, die
sich in den nächsten Tagen kontinuierlich
fortsetzt. Beim Hund sollte das geriatrische
Vestibular-Syndrom nach einer, spätestens zwei
Wochen abgeklungen sein. Bei Katzen dauert es
dagegen deutlich länger, zwei bis drei Wochen,
selten bis zu sechs Wochen. Die meisten Tiere
genesen vollständig, in Einzelfällen bleiben
kleine Einschränkungen zurück, eine der
häufigsten ist eine leichte Kopfschiefhaltung.
Das Tier wird dadurch nicht beeinträchtigt, die
Kopfhaltung ist häufig auch über Physiotherapie
korrigierbar.
Anmerkung: es gibt ein angeborenes
Vestibularsyndrom (kongenitales
Vestibularsyndrom), eine seltene Erbkrankheit
bei Hunden und Katzen, ein autosumal-rezessiver
Erbgang wird vermutet. Hier ist das
Gleichgewichtsorgan fehl gebildet, dies äußert
sich in Kopfschiefhaltung und
Koordinationsstörungen, die bereits im ersten
Lebensmonat der Welpen auftreten. Oft besteht
gleichzeitig eine ein- oder beidseitige
Taubheit. Ein Nystagmus (Augenzittern) tritt
nicht auf. Eine Behandlung ist auch hier nicht
möglich, allerdings bessern sich die Symptome
oft ab dem 2. Lebensmonat, da die
Funktionsstörung des Gleichgewichtsorgans durch
andere Sinne ausgeglichen wird. Die Tiere können
häufig ein weitgehend beschwerdefreies Leben
führen, taube Tiere natürlich unter Einbeziehung
spezieller Erziehungsmethoden. Von der Zucht
sollten derart erkrankte Hunde ausgeschlossen
werden.
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